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10 Jahre danach
mados

Es ist mein Geburtstag. Heute, an diesem schicksalhaften neunten November, denke ich wie so viele andere über Dinge nach, die ich kaum erlebt habe. Wie sollte ich auch. Als dreizehnjähriger Junge bemerkte ich natürlich, dass etwas passiert. Ich sah, dass die Menschen von den politischen Ereignissen beeindruckt waren, dass sie darüber sprachen. Die stürmische Wende ging keineswegs ereignisslos an mir vorbei. Aber es berührte mich kaum. Die Mauer? Ja, die hatte ich einmal gesehen. Als wir das Brandenburger Tor besuchten. Bewacht von den Volkssoldaten. Umzäunt. Abgeschottet...

Sie schützen uns vor den Kapitalisten. Das war es, was uns damals erzählt wurde. Wirklich glauben konnte ich das nie. Das konnte niemand. Was war es, wovor wir beschützt werden sollten? Was war hinter der Mauer? Das Weihnachtspäckchen aus dem Westen? Nur ein Indiz für die Menschen im amerikanischen Sektor. Freude über die begehrten Spielzeuge mit der Aufschrift "Matchbox". Aber kein Gedanke an die Mauer. Ich fühlte keine Enge. Aber ich hätte es gespürt, wenn ich nur alt genug gewesen wäre...

Egal! Es ist vorbei. Lange her. Mehr als zehn Jahre, um genau zu sein. Eine lange Zeit. Eine Zeit, in der sich wahnsinnig viel bewegen kann. Bewegung? Wohin bewegt sich eigentlich die Scene?

Vor zehn Jahren gab es bereits eine Scene, aber sie war kaum beachtet. Als die Computer im großen Stil die privaten Haushalte und Kinderzimmer eroberten, war die Mauer längst verschwunden. Der C64 leitete eine Ära ein, von der wir noch heute profitieren. Kein Wunder, dass manch einer an seinem "Brotkasten" festhält. Ja, die Scene rund um den C64 ist auch heute noch aktiv! Aber es wird weniger...

Heute ist der PC das bestimmende Medium der Demoscene. Er hat sie nicht begründet, das ist klar. Damals war ein Amiga oder Commodore um einiges leistungsfähiger. Grafik und Musik waren auf einem PC geradezu undenkbar. Aber heute. Jeder kennt die Entwicklung...

Bleibt die Frage, was ich in weiteren 10 Jahren an dieser Stelle schreiben werde? Wahrscheinlich ist das WildMag längst vergessen. Der PC von Taschencomputern im Gigahertz Bereich abgelöst. Festspeicher auf Polymerbasis fassen mehrere Terabyte große Filme, die selbstverständlich innerhalb weniger Sekunden kopiert und geschnitten sind. Worte wie "echtzeit", "interaktiv" und "multimedia" sind bedeutungslos geworden, weil diese Eigenschaften vollkommen selbstverständlich sind. Die Demoscene befasst sich mit virtuellen Umgebungen, die an die Grenzen des Bewußtseins vorstoßen. Feuerwerk für die Sinne, bis zur letzten Konsequenz ausgekostet. Eine glänzende Zukunft.

mados