WildMag-Archiv

Sie sind hier: Diskmags → WildMagWildMag #1 (Januar 2000) → Die große Sonnenfinsternis

Die grosse Finsternis
Roman Mättig

1. Einleitung

Eine Sonnenfinsternis ist eines der großartigsten und beeindruckendsten Schauspiele, die die Natur zu bieten hat. Eine Sonnenfinsternis kommt sehr selten vor und dauert nur wenige Minuten. An einem bestimmten Ort tritt sie statistisch nur etwa aller vier Lebensalter auf. Ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind örtlich sehr begrenzt und trotzdem verändert sie diese für einen kurzen Moment dramatisch. All dies hat dazu geführt, dass die Menschen schon seit jeher von diesem Ereignis zutiefst bewegt werden. So geschehen auch am 11. August 1999 in Süddeutschland.

Die Sonne ist die Grundlage des Lebens auf der Erde. Sonnenlicht läßt Bäume und Sträucher wachsen, die dann andere Lebewesen mit Luft zum Atmen versorgen. Sonnenhitze treibt die Winde und lenkt die Meeresströmungen. Von der Sonne hängt es ab, ob die Ernte üppig oder karg ausfällt. Das plötzliche und außergewöhnliche Verschwinden der lebenswichtigen Sonne während einer Sonnenfinsternis erzeugt schon immer eine ganz besondere Faszination bei den Menschen.

Viele Menschen verbanden Ängste oder Hoffnungen mit der letzten totalen Sonnenfinsternis des Jahrtausends. Für andere war es einfach nur ein Naturschauspiel. Eines hatten jedoch fast alle gemeinsam: Es war wohl die einzige totale Sonnenfinsternis, die sie mit eigenen Augen am Himmel beobachten konnten.

Zur Geschichte und Mythologie von Sonnenfinsternissen gibt es in der heutigen Zeit immer wieder neue Vermutungen und Erkenntnisse. Die Forschung ist in dieser Hinsicht sicher nie abgeschlossen. Dieser Text möchte einen Überblick über das Phänomen Sonnenfinsternis geben. Die Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen vor allem die Reaktionen der Menschen auf das Naturschauspiel zeigen.

2. Die Sonnenfinsternis
2.1. Ursachen einer Sonnenfinsternis

Damit es zu einer Sonnenfinsternis kommt, müssen sich Sonne, Mond und Erde genau auf einer geraden Linie befinden. Demzufolge müßte es jeden Monat bei Neumond eine Sonnenfinsternis geben. Genau dann steht nämlich der Erdtrabant zwischen Sonne und Erde. Die Ebene der Mondbahn ist um 5 Grad gegen die Ebene der Erdbahn geneigt. Dadurch verfehlt der Mondschatten im Normalfall die Erde. Nur wenn sich der Mond während des Neumondes an einem der beiden Knotenpunkte der Umlaufebenen von Erde und Mond befindet, ist irgendwo auf der Erde eine Sonnenfinsternis zu beobachten.

Es gibt verschiedene Arten von Sonnenfinsternissen. Man unterscheidet die partielle, ringförmige und totale Sonnenfinsternis. Der Umstand, der es möglich macht, eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten, ist so etwas wie ein unglaublicher Zufall: Der Mond, der 400 Mal kleiner ist als die Sonne, hat einen ca. 400 Mal kleineren Abstand zur Erde. Dadurch erscheinen die Scheiben der beiden Himmelskörper in derselben Größe.

Kein anderer der über 60 Monde im Planetensystem ist zu solch einem Verdunkelungsmanöver in der Lage. Weder Uranus, Mars oder Pluto werden je von ihren Trabanten in Schwärze gehüllt. Es scheint, als habe sich die Natur das Finsternis- Spektakel für den einzigen Planeten aufgespart, auf dem Geschöpfe leben, die es bewundern können.

Bei einer totalen Finsternis wird die Sonne völlig durch den Mond verdeckt. Bei einer partiellen Sonnenfinsternis hingegen verdeckt der Mond nur einen Teil der Sonnenscheibe. Je nachdem, wie exakt die drei Himmelskörper auf einer Linie aufgereiht sind, kommt es zu einer partiellen oder totalen Verdunklung. Bei einer totalen Sonnenfinsternis ist in den Randbereichen der Totalitätszone zur selben Zeit auf der Erde eine partielle Finsternis zu sehen.

Durch die elliptischen Umlaufbahnen von Mond und Erde ändern sich die Abstände zwischen Sonne und Erde sowie zwischen Mond und Erde. Befindet sich der Mond an seinem erdfernsten Punkt, reicht der Kernschatten nicht mehr bis zur Erde, und der Randbereich der Sonne bleibt in Form eines Ringes um den Mond sichtbar. Auf der Erde ist dann eine ringförmige Sonnenfinsternis zu beobachten. Da der scheinbare Durchmesser des Mondes im Schnitt kleiner ist als der der Sonne, sind ringförmige Finsternisse häufiger zu beobachten als totale.

Eine totale Sonnenfinsternis wird in vier Phasen eingeteilt. Beim ersten Kontakt berührt der Mond die Sonnenscheibe. Mit dem zweiten Kontakt beginnt die Totalität und der Mond bedeckt die Sonne vollständig. Das Ende der Totalität mit dem Aufblitzen der ersten Sonnenstrahlen ist der sogenannte dritte Kontakt. Beim Ende der Finsternis spricht man vom vierten Kontakt.

2.2. Erscheinungen der Finsternis

Das wissenschaftliche Interesse gilt im Grunde nur einer totalen Finsternis. Denn nur dabei sind Verdunkelung sowie weitere Phänomene zu beobachten. Zudem ist bei einer totalen Finsternis die Zeit der Totalität von besonderem wissenschaftlichen Interesse. Denn fast alle für die Wissenschaft interessanten Phänomene finden zwischen dem zweiten und dritten Kontakt statt. Häufig wird für die Sonnenfinsternis die Bezeichnung Eklipse verwendet. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet 'verbergen'.

2.2.1. Die Sonne

Normalerweise ist von der Sonne nur die Oberfläche sichtbar. In der extrem hellen Photosphäre wird der Großteil des sichtbaren Lichtes der Sonne erzeugt. Die dunklere Atmosphäre der Sonne wird somit überstrahlt und ist für einen Betrachter auf der Erde nicht zu sehen. Bei einer totalen Mondfinsternis verdeckt die Mondscheibe die Photosphäre und die äußere Hülle der Sonne wird sichtbar.

Die unterste Schicht der Sonnenatmosphäre heißt wegen ihrer intensiven Färbung Chromosphäre. Sie liegt direkt über der Photosphäre und ist nur zu Beginn und am Ende der Totalität für wenige Sekunden sichtbar. Während der Totalität wird diese Schicht ebenfalls von der Mondscheibe verdeckt. Die Temperatur der Chromosphäre beträgt genau wie die der Sonnenoberfläche ca. 6.000 øC.

Die äußerste Schicht der Sonnenatmosphäre, die Korona, liegt noch über der Chromosphäre und ist bei einer totalen Sonnenfinsternis eindrucksvoll zu beobachten. Sie zeigt sich als weiß-bläulicher Strahlenkranz um die Sonne. Die Größe der Korona übersteigt den Durchmesser der Sonne bei weitem. Die hohe Temperatur der Korona, ein bis zwei Millionen Grad Celsius, gibt den Forschern noch immer Rätsel auf.

Ein ganz besonderes Phänomen, das beobachtet werden kann, sind die sogenannten Protuberanzen. Diese Ausbrüche heißer Gaswolken steigen oft viele hunderttausend Kilometer hoch über die Photosphäre bis in die Korona auf. Protuberanzen, die überwiegend aus Wasserstoffgas bestehen, folgen in ihrer Bewegung den magnetischen Feldlinien der Sonne. Sie treten in verschiedenen Formen auf. Die "Jets" existieren nur wenige Stunden, stationäre Protuberanzen können jedoch bis zu mehreren Monaten bestehen.

2.2.2. Phänomene am Himmel

Während sich der Mond vor die Sonne schiebt, verkleinert sich der sichtbare Teil der Sonne zu einer immer schmaler werdenden Sichel. Wenige Sekunden vor dem zweiten Kontakt sind zwei besondere Lichtspektakel zu beobachten. Der sogenannte "Perlschnur-Effekt" und das "Diamantring-Phänomen". Auslöser beider Ereignisse ist die Mondoberfläche mit ihren Bergen und Tälern. Wenn die Mondberge den Sonnenrand bereits verdecken, blitzt noch für einen kurzen Moment Licht durch die Mondtäler. Diese Lichtblitze sehen aufgereiht aus wie eine Perlenschnur.

Der Diamantring ist zu sehen, wenn das Sonnenlicht nur noch durch ein einziges Mondtal seinen Weg bis zur Erde findet. Dieser Lichtpunkt strahlt zusammen mit der inneren Korona besonders hell in der Dunkelheit. Beim Eintritt in die Totalität ist dies häufig das erste Phänomen, das mit bloßem Auge sichtbar ist. Die ersten Sonnenstrahlen, die zum Ende der Totalität wieder die Erde erreichen, erzeugen erneut dieses Naturschauspiel.

Der Himmel wird während der Totalität zwar nicht schwarz, jedoch wenigstens dunkelblau, so dass die hellsten Sterne und Planeten beobachtet werden können. Die Helligkeit entspricht normalerweise der einer hellen Vollmondnacht. Der Horizont ist noch recht hell erleuchtet, schließlich hat der Kernschatten nur eine maximale Breite von ca. 300 km.

2.2.3. Phänomene auf der Erde

Der Sonnenbeobachter kann während einer Finsternis verschiedene Veränderungen in seiner Umgebung wahrnehmen. Während sich der Mond vor die Sonne schiebt, ist die Verdunkelung am Boden kaum wahrnehmbar, denn die Iris vergrößert sich und das Auge stellt sich auf den fehlenden Lichteinfall ein. Erst ab einer Bedeckung von 90 Prozent ändert sich die Umgebung merklich. Die warmen Farbtöne verschwinden, blaugraue und silberne Farben stechen hervor. Jedoch erst mit Einsetzen der Totalität wird es schlagartig dunkel.

Durch das plötzliche Verschwinden der Sonne kommt es in der Totalitätszone zu einem Temperaturabfall, der fünf bis sechs Grad Celsius betragen kann. Dadurch wird ein kalter Wind hervorgerufen, der "Wind der Finsternis". Der Wind hat auch einen positiven Nebeneffekt. Sollte eine leichte Bewölkung den ungetrübten Blick behindern, so löst sich diese beim Herannahen des Kernschattens oft auf.

Die Strömungen warmer und kalter Luftschichten streuen und sammeln das Licht der dünnen Sonnensichel wie schwache Linsen. Dadurch entstehen Schatten, die an Effekte am Boden eines Schwimmbades erinnern. Diese sogenannten fliegenden Schatten sind an Hauswänden oder anderen ebenen, gleichmäßig hellen Flächen besonders gut zu beobachten.

Für die moderne Wissenschaft stellt eine Sonnenfinsternis kein besonders interessantes Naturschauspiel dar. Moderne optische Beobachtungsgeräte mit aufwendiger Filtertechnik erlauben eine Sonnenbeobachtung unabhängig von einer Finsternis. In der frühen Wissenschaft jedoch ließen sich nur während einer Sonnenfinsternis Beobachtungen zum Aufbau der Sonne anstellen.

3. Finsternisse der Geschichte

Die Sonnenfinsternis ist ein Naturschauspiel, das die Menschen schon seit vielen tausend Jahren fasziniert. Der Stand der Sonne bestimmte den Lauf des Lebens, den Zeitpunkt von Aussaht und Ernte. Die Bedeutung der Sonne für das Leben auf der Erde ist sehr groß. Eine Finsternis ist in ihrer Erscheinung völlig außergewöhnlich. Für einen kurzen Moment verschwindet die lebensnotwendige Sonne. Die Seltenheit dieses Phänomens erzeugte zusätzliche Spannung bei den Menschen.

Die verschiedenen Völker entwickelten jeweils eine eigene Interpretation des Ereignisses. In den meisten Fällen jedoch verstand man eine Finsternis als Kampf zwischen Sonne und Mond. Es kamen Befürchtungen auf, böse Mächte könnten die Sonne für immer zum Erlöschen bringen. Durch Gebete, Tänze und Opfer wurde um Gnade gebeten, natürlich immer mit Erfolg.

Weil die Menschen in früheren Zeiten die Ursachen einer Finsternis nicht kannten, erdachten sie Mythen und Sagen. Viele dieser ersten Erklärungsversuche wurden mündlich weitergegeben. Die Chinesen deuteten den herannahenden Mond als Himmelsdrachen. Nach Ansicht der Germanen machten sich bei Eklipsen die wolfsgestaltigen Riesen Hati und Sköll über das Tageslicht her.

Neben diesen Mythen gab es schon sehr früh physikalische Erklärungsversuche. Erste Anhaltspunkte dazu sind uns schon aus der jüngeren Steinzeit bekannt. Wie Knochenfunde belegen, kannten die Menschen bereits vor 20.000 Jahren die Mondphasen. Mit diesem Wissen war es ihnen durchaus möglich, auch das Ereignis einer Sonnenfinsternis zu erklären.

Erste Zeugnisse über die Beobachtung einer Finsternis finden sich in Inschriften des chinesischen Kaiserhofes, die über 5.000 Jahre alt sind. Vorhersagen zu einer Sonnenfinsternis sind den chinesischen Hofastronomen aber wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Obwohl totale Sonnenfinsternisse seit jeher als schlechtes Omen und Unglücksbringer angesehen wurden, brachte eine Finsternis ausnahmsweise den Frieden. Im Jahre 585 v. Chr. bekriegten sich die Lyder und Meder bereits fünf Jahre lang. Als sich am 28. Mai plötzlich die Sonne über dem Schlachtfeld verdunkelte, brach Panik unter den Kriegern aus. Daraufhin wurden die Kämpfe beendet und Frieden geschlossen. Ob diese Geschichte stimmt, ist allerdings nicht belegt.

Genauere Beobachtungen machten später die Babylonier ab dem 8. Jahrhundert vor Christus. Von ihnen stammen auch die ältesten sicheren Überlieferungen über die Vorhersage von Sonnenfinsternissen. Die babylonischen Sternkundigen maßen bereits die Dauer der einzelnen Phasen sowie den Grad der Totalität als Bruchteil des Sonnendurchmessers.

Mehrfach wurden Vorhersagen von Sonnenfinsternissen zur Stärkung der politischen Macht der Herrscher benutzt. Sie konnten dem unwissenden Volk eindrucksvoll ihre Stärke demonstrieren, indem selbst die Sonne ihren Befehlen gehorcht und sich verdunkelt. Die meisten Erzählungen sind jedoch mehr eindrucksvolle Legenden, denn nachprüfbare Zeugnisse.

Bis in die Neuzeit wurden Sonnenfinsternisse häufig als Zeichen heraufziehenden Unheils gewertet. Der Finsternis entströmten Pestilenz und Giftwolken, hieß es etwa im Mittelalter. Den Tod Karls des Großen sollen mehrere Sonnenfinsternisse angekündigt haben.

Für Geschichtsforscher haben Sonnenfinsternisse eine ganz besondere Bedeutung. Im Laufe der Zeit wurden von den Chronisten die verschiedensten Zeitrechnungen verwendet. Meist wurden die Regierungsjahre der Herrscher oder die Geburtsjahre von Gottheiten verwendet. Wegen ihres spektakulären Charakters wurden Sonnenfinsternisse in alten Chroniken seit Jahrtausenden genau festgehalten.

Die Entdeckung der Gesetze der Himmelsmechanik machten es möglich auch Sonnenfinsternisse der Geschichte für jeden Zeitpunkt und Ort zu berechnen. Durch den Vergleich mit vorliegenden Beobachtungen konnte einen recht genauen Zusammenhang zwischen den einzelnen Zeitrechnungen erstellt werden. Einem Datum irgendeiner Ära konnte so ein Datum im christlichen Kalender zugeordnet werden. Diese wissenschaftlich Grundlage der Chronologie ist jedoch sehr von der Genauigkeit der alten Aufzeichnungen abhängig.

4. Die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999
4.1. Der Lauf des Mondschattens

Das Ereignis begann im Nordatlantik. Um 11.30 Uhr nach mitteleuropäischer Sommerzeit berührte der Mondschatten 300 Kilometer südlich von Neuschottland die Erdoberfläche. Vierzig Minuten später erreichte er mit einer Geschwindigkeit von 3.300 Kilometer pro Stunde die englische Südwestküste. Hier dauerte die Finsternis bereits 2 Minuten und der Kernschatten auf der Erde hatte eine Breite von 103 km. Weiter überquerte der Schatten den Ärmelkanal, Nordfrankreich, Belgien und Luxemburg. Um 12.29 Uhr erreichte er Deutschland. Die Städte Stuttgart, Ulm, Augsburg und München kamen in den Genuß der totalen Sonnenfinsternis.

Weiter ging es über Österreich und Ungarn nach Rumänien. Dort erreichte die Finsternis um 13.03 Uhr ihren Höhepunkt. Sie dauerte ganze 2 Minuten und 23 Sekunden, wobei der Schatten eine Breite von 112 km hatte. Über Bulgarien verließ der Kernschatten das europäische Festland. Um 13.21 erreichte er die Türkei. Weiter ging es über Syrien, den Irak, Iran und Pakistan. Zum Sonnenuntergang huschte der Schatten über Indien hinweg, um schließlich um 14.36 MESZ im Golf von Bengalen die Erdoberfläche zu verlassen.

Auf seiner Reise über die Erde legte der Kernschatten in nur 3 Stunden und 7 Minuten eine Strecke von knapp 14.000 km zurück. Seine durchschnittliche Geschwindigkeit betrug 2.520 km/h. Der Schatten hatte einen Durchmesser von 55 km bis 113 km.

4.2. Die Sonnenfinsternis in Deutschland
4.2.1. Das Wetter

Damit man eine Sonnenfinsternis in ihrer ganzen Pracht bewundern kann, muß der Himmel weitgehend wolkenfrei sein. Die Frage nach dem Wetter beschäftigte somit viele Gemüter im Vorfeld der Finsternis.

Die meisten Prognosen gaben der Sonne gute Chancen. Die prozentuale Sonnenwahrscheinlichkeit lag laut Deutschem Wetterdienst in Süddeutschland bei ca. 60 Prozent. Die Spanne reichte von 64 Prozent für die Gegend um Karlsruhe bis 57 Prozent für Regionen südlich von München. Für Prognosen wurden die Sonnenscheindaten von 30 Jahren verrechnet.

In der Realität war Glück der entscheidende Faktor. Die Wolken des Tiefs "Oleg" sorgten dafür, dass die Beobachtung an vielen Orten zumindest in Mitteleuropa zum wahren Lotteriespiel wurde. Und ob man bei diesem Spiel einen Volltreffer oder eine Niete zog, lag oft schon an wenigen Kilometern bei der Auswahl des Beobachtungsortes, was zum Beispiel in München sehr deutlich wurde. Während im Olympiapark die verfinsterte Sonne hinter dicken Wolken blieb, war sie wiederum in Teilen der Innenstadt in einer Wolkenlücke zu sehen.

In einigen Orten fiel das Ereignis buchstäblich ins Wasser. Strömender Regen trübte nicht nur den Blick, sondern durchnäßte auch die Sonnengucker. In Stuttgart öffnete der Himmel pünktlich zur Finsternis seine Schleusen. Der Traum vieler, jemals eine Sonnenfinsternis mit eigenen Augen zu sehen, wurde von Wolken zunichte gemacht. Der Stimmung unter den Sonnenhungrigen tat das jedoch wenig Abbruch.

4.2.2. Das Geschäft mit der Dunkelheit

Viele Unternehmer erhofften sich von der Sonnenfinsternis ein großes Geschäft. Es gab allerhand Nützliches und Unnützes. Sonnenfinsternis-T-Shirts für 28 DM und Finsternis- Schirmmützen für 24 DM. Schwarze Polohemden wurden wegen einer kleinen Sonnensichel auf der Brusttasche zum "Eklipse-Shirt" geadelt und für 59 DM an den Mann gebracht. Ein Post-Sonderstempel war für 20 DM zu haben.

Die Brauerei Calwer Eck aus Stuttgart sorgte sich um die in der Finsternis Dürstenden. Sie verfolgten die astronomischen Zyklen zurück und setzten beim jüngsten kompletten Neumond genau auf die Minute das Sonnenfinsternis-Bier an. Am 11. August, wenige Minuten nach der Finsternis, wurde das schwarzfarbene Pils auf dem Schloßplatz in der Innenstadt verkauft. Auch Bäcker Werner Aichinger aus Pforzheim hoffte auf das große Geld: Bis zum Festtag verkaufte er mit Mohn und Sesam überzogene Weckle - Sonnenfinsternis-Brötchen.

Viele Augenärzte warnten in den Medien vor irreparablen Augenschäden, die entstehen, wenn eine Sonnenfinsternis mit bloßem Auge betrachtet wird. Rußgeschwärzte Gläser oder Sonnenbrillen bieten keinen ausreichenden Schutz. Nur mit metallbedampften Folienbrillen, zum Preis von drei bis fünf Mark, ist die Beobachtung der Sonne gefahrlos möglich. Die Aufklärung zeigte Erfolg. In vielen Kaufhäusern, Optikgeschäften, Apotheken oder Drogerien waren die Brillen bereits weit vor dem 11. August ausverkauft. Geschäfte, die kleine Mengen Schutzbrillen an ihre Kunden verschenkten, wurden regelrecht überrannt. Vielerorts konnte man Schilder mit der Aufschrift "Sonnenfinsternis-Brillen ausverkauft." in den Schaufenstern sehen. Am Tag der Sonnenfinsternis wurden Brillen auf dem Schwarzmarkt für bis zu 15 DM gehandelt. Eher ein Gag waren die Schutzbrillen für den Hund, die findige Geschäftsleute auf den Markt brachten.

Nach der Sonnenfinsternis kam für einige Beobachter dennoch das böse Erwachen. In mehreren Krankenhäusern meldeten sich Menschen mit Augenproblemen. Der befürchtete Ansturm auf Praxen und Hospitäler blieb allerdings aus. Durch die vielen Warnungen waren die meisten Menschen vernünftig. Das schlechte Wetter mit der vielerorts dichten Bewölkung tat das Übrige.

Bereits vor dem 11. August riefen mehrere Hilfsorganisationen zur Spende nicht mehr benötigter Schutzbrillen auf. Sie sollen an die Menschen in Madagaskar, Mosambik sowie Angola verteilt werden, damit diese die weltweit nächste Sonnenfinsternis am 21. Juni 2001 gefahrlos beobachten können.

4.2.3. Chaos auf den Straßen

Eine partielle Sonnenfinsternis war zwar in ganz Deutschland zu sehen, die totale Verdunklung der Sonne konnte jedoch nur in Süddeutschland beobachtet werden. Im Sofi1- Fieber machten sich viele auf in die Totalitätszone. Eine Reihe von Sonnenguckern reiste bereits einige Tage vor dem 11. August nach Süddeutschland. Die meisten kamen jedoch erst am Tag der Finsternis. Die Deutsche Bundesbahn richtete Sonderzüge nach München und Stuttgart ein. Aber auch Reiseunternehmen boten die gemütliche Busfahrt als Erlebnisreise an. In Frankreich wurde vorsorglich ein Fahrverbot für Lastwagen in der Zeit von 11 Uhr bis 14 Uhr erlassen.

Viele Sofi-Touristen reisten mit dem eigenen Fahrzeug in die Totalitätszone und mußten sich auf den Autobahnen in Geduld üben. Der Verkehrsfunk der örtlichen Radiosender meldete Staus auf allen wichtigen Fernverkehrsstraßen. Bereits eine Stunde vor der Totalität musste die Polizei illegal parkende Fahrzeugführer vom Randstreifen der Autobahn A8 München-Salzburg vertreiben. Die Rastplätze waren zu diesem Zeitpunkt schon hoffnungslos überfüllt.

Später sorgte die Abreise der Beobachter der Sonnenfinsternis für Rekordstaus, die laut Verkehrswarndienst auf einer Gesamtlänge von 340 Kilometern registriert wurden. Auf der Autobahn A5 kam der Verkehr von Bühl in Richtung Frankfurt auf einer Länge von 120 Kilometern nur stockend voran. In der Gegenrichtung gab es auf 40 Kilometern Länge zähfließenden Verkehr. Auch von der A7 von Ulm bis Würzburg, der A8 in Richtung Karlsruhe und der A81 zwischen Stuttgart und Heilbronn wurden zäher Verkehr und zeitweilige Staus mit Längen bis 55 Kilometer gemeldet. Die durch die Abreise der Sonnenfinsternis-Zuschauer ausgelösten Staus wurden am Abend durch den einsetzenden Berufsverkehr noch verstärkt.

4.2.4. Fernsehen

Alle diejenigen, die die Reise in die Totalitätszone nicht auf sich nehmen wollten, konnten die Finsternis am heimischen Fernseher verfolgen. Einige TV-Stationen berichteten live über die Sonnenfinsternis und machten die gesamte Woche mit Sonderbeiträgen zum Finsternis-Event, um die Zuschauer auf das Ereignis einzustellen. Fast alle naturwissenschaftlichen Sendungen befaßten sich mit der letzten Sonnenfinsternis des Jahrtausends.

Das ZDF übertrug die Finsternis live aus dem Chiemgau. Aber auch aus luftiger Höhe konnten die Fernsehzuschauer das Ereignis verfolgen. Ein Spezialflugzeug des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt nahm eine ZDF-Kamera an Bord und übertrug aus 12.500 Meter Höhe phantastische Bilder. Zum umfangreichen Programm der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten gehörten auch Diskussionsrunden mit Künstlern, Mondgläubigen und Wissenschaftlern sowie am Abend ein ARD-"Brennpunkt" und ein ZDF-"Spezial". Die ARD zeigte in der "Sendung mit der Maus", wie man am Himmel gefahrlos der Sonne entgegen blicken konnte.

Auch RTL ging in die Luft: Mit dem sendereigenen News-Helikopter und einem Heißluftballon über dem französischen Metz. Der Nachrichtensender n-tv übertrug zwischen 11.00 Uhr und 12.45 Uhr live aus ganz Europa vom Verlauf des Mondschattens.

Die meisten Zuschauer hielten sich an die Sendungen von ARD und ZDF. In der Kernzeit der Eklipse über Deutschland zwischen 12.30 Uhr und 12.40 Uhr schalteten 7,17 Millionen Zuschauer ARD und 5,26 Millionen das ZDF ein. Das RTL Programm verfolgten in der Kernzeit 1,96 Millionen und bei Pro Sieben schalteten 0,96 Millionen Zuschauer ein. Lediglich SAT.1 verzichtete auf eine Sonderberichterstattung und verwies auf die regulären Berichte in den Nachrichten.

4.2.5. Das Erlebnis neben der Finsternis

Fast alle Städte und Gemeinden Süddeutschlands buhlten um die Gunst der Tagestouristen. Das Interesse der Sofi-Touristen an den geplanten Veranstaltungen war enorm. Die Internet-Seiten der Stadt Stuttgart wurden Millionen Mal abgerufen, ein 40seitiges Programm wurde den Verantwortlichen regelrecht aus den Händen gerissen.

Die großen Erwartungen der Besucher wurden erfüllt. Saarbrücken hißte die Fahnen für ein "Fest der Sonne" und feierte auch gleich noch sein tausendjähriges Bestehen. Filderstadt bot seinen Gästen "Sun and Fun". In Göppingen wurde ein Sternenmarsch organisiert und in Weil der Stadt, dem Geburtsort Johannes Keplers, spielten Gaukler und Magier Mittelalter.

Das wohl größte Spektakel veranstaltete Stuttgart. Die Stadt feierte bereits ab dem 7. August ein neuntägiges "Sonnenfestival". Etliche wissenschaftliche Einrichtungen wie z.B. das Max-Planck- und das Fraunhofer-Institut, das Zentrum für Sonnenenergie- u. Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg oder das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik wurden in die Veranstaltungen eingebunden. Zum Rahmenprogramm gehörten wissenschaftliche Treffen, Vorträge und Kolloquien zum Thema. Daneben gab es aber auch einen Wissenschaftsjahrmarkt, Konzerte, Ausstellungen und eine Fernrohrstraße mit 100 Teleskopen.

Die 40.000 Hotelbetten in und um Stuttgart waren völlig ausgebucht. Mehrere hundert Jugendliche, die aus ganz Deutschland und der Schweiz nach Stuttgart gekommen waren, übernachteten unter den Arkaden rund um den Schloßplatz im Freien.

Zehntausende drängten sich auf dem Stuttgarter Schloßplatz um die "größte Party Deutschlands" zu feiern. Weil die dichte Bewölkung einen ungetrübten Blick auf die Sonne verhinderte, übertrug zum Trost der Südwestfunk das Ereignis live aus einem Flugzeug auf eine große Videowand. Die Stadt München stellte gar einen "Finsternis-Koordinator" ein. Er sollte etwa ein Duzend Veranstaltungen vor und während der Sonnenfinsternis überwachen und die Öffentlichkeit informieren. Man hatte sich viel vorgenommen für den 11. August. Über 100.000 Besucher kamen in die Stadt. Im Münchner Olympiastation versammelten sich 10.000 Gäste zur Finsternisparty mit mythischen Tänzen, Musik und Lesungen. Zu einem dreistündigen Finsternismahl auf dem Spielfeld erschienen 580 geladene Gäste. Und das Drehrestaurant im 182 Meter hohen Olympiaturm war Monate vorher reserviert. Auch in München hatten die Sonnenbeobachter Pech mit dem Wetter. Auf einer Großleinwand wurde das Ereignis jedoch live aus einem Flugzeug übertragen.

Der Altbundespräsident Roman Herzog nahm's humorvoll: "Ich hab's in vollen Zügen genossen", sagte Herzog, der an der nassen Ehrentafel im Münchner Olympiastadion speiste. "Was ist eine Sonnenfinsternis ohne Regen. Das wird man sich in den nächsten Jahrzehnten fragen."

Rund um den Weißwurstäquator standen die Bänder still. Bei BMW in München und DaimlerChrysler in Stuttgart wurden während der Finsternis keine Autos montiert. In der Schwaben-Kantine gab es "Schwarze Nudeln". Der Triebwerkshersteller MTU ließ morgens am Werkstor Schutzbrillen verteilen. Der Computerriese IBM lud seine Mitarbeiter zur außerplanmäßigen Betriebsfeier mit "mystischen Elementen".

Drei Concorde-Überschallflugzeuge flogen mit hunderten Sofi-Fans an Bord von Großbritannien und Frankreich aus für kurze Zeit mit dem Mondschatten mit. 3.700 DM kostete das Vergnügen. Alle Flugzeuge waren ausgebucht. Auch in München wurde der Sonnenfinsternisflug zum "Schnäppchenpreis" von 220 DM angeboten. Der Luftraum über der Landeshauptstadt war dann so sehr überlastet, dass der gecharterte Flieger am Boden bleiben mußte. Durch eine Wolkenlücke konnten die enttäuschten Fluggäste dann doch noch einen kurzen Blick auf die Sonne werfen.

Auch die Welt der schönen Künste nahm die Finsternis zum Anlaß, ihr Können darzubieten. Überall in der Totalitätszone gab es Ausstellungen, Musikaufführungen und Lesungen. Im österreichischen Dornbirn begleiteten internationale Künstler mit einer experimentellen Multimedia-Performance mit Musik, Tanz, Licht- und Filminstallationen die Sonnenfinsternis. In Bukarest sang Italiens Startenor Luciano Pavarotti vor dem Parlamentspalast.

4.3. Weltuntergang

Die Verdunkelung der lebenswichtigen Sonne schürte bereits in der frühesten Geschichte die Angst vor einem Weltuntergang. Auch für den 11. August 1999 wurde zum wiederholten Mal der Weltuntergang befürchtet. In der heutigen Zeit sind es besonders die verschiedenen religiösen Gruppen, die sich intensiv mit der drohenden Vernichtung der Zivilisation beschäftigen.

Die befürchteten Szenarien des Weltunterganges waren sehr verschieden. Mitten in die Nordsee sollte ein Meteorit einschlagen, die Pole sollten sich verschieben und Kontinente untergehen. Die mit Plutonium betriebene Casini-Sonde sollte abstürzen oder der dritte Weltkrieg ausbrechen. Auf jeden Fall aber sollte die Zivilisation in ihrer heutigen Form am 11. August untergehen.

Die Schriften des Nostradamus mußten für diverse Untergangstheorien herhalten. Angeblich soll er die Sonnenfinsternis für den 11. August 1999 und den damit verbundenen Weltuntergang vorausgesagt haben. Seine Prophezeiungen sind jedoch sehr wage formuliert und enthalten auch keine genauen Zeitangaben.

Auriella, die Führerin des Fiat Lux Ordens aus Lindau, prophezeite, dass nur ein Drittel der Menschheit überleben werde, darunter natürlich alle ihre Anhänger. Nach der Zerstörung sollten Engel innerhalb weniger Tage die Welt wieder neu aufbauen. Es sollte ein Paradies werden, mit angenehmem Mittelmeerklima im Schwarzwald. Wenige Tage vor dem 11. August gab Auriella Entwarnung. Schließlich verkündete sie bereits irrtümlicherweise für das Jahr 1998 den Weltuntergang. Der Untergang wurde nicht abgesagt sondern nur verschoben, denn "nur Gott kennt das Datum der Reinigung". Einige wenige Menschen trafen Vorkehrungen für den Fall des "Weltuntergangs". Sie packten ihr Notfallgepäck und legten Vorräte an, brachten ihr Geld in Sicherheit und schrieben ihr Testament in dem Glauben, so auf die große Katastrophe besser vorbereitet zu sein. In München bot eine Gruppe "Lichtarbeiter" ein Überlebenstraining an. Den meisten Menschen war der Weltuntergang allerdings völlig egal. Und letztere sollten Recht behalten - jedenfalls bis zum nächsten Mal.

4.4. Mein Reisebericht

Das Erleben einer totalen Sonnenfinsternis mit eigenen Augen ist immer noch etwas ganz besonderes. Beschreibungen und Bilder können einen Eindruck vermitteln, werden jedoch von der Wirklichkeit übertroffen. Die Sonnenfinsternis direkt vor der Haustür wollte ich deshalb mit eigenen Augen betrachten. Mein Interesse galt einzig und allein der Finsternis und nicht den zahlreichen Sofi-Party's.

Der unabhängig von der Finsternis geplante Urlaubsaufenthalt in der Schweiz in Graubünden reduzierte den Aufwand um einige hundert Kilometer Fahrstrecke. Aber auch aus Sachsen hätte ich mich wohl, zusammen mit meinem Bruder, auf den Weg gemacht.

Morgens um 7.30 Uhr starteten wir zu den ersten 150 Kilometern vom Urlaubsort bis zum Bodensee. Auf der A96 in Richtung Memmingen wurde der Verkehr langsam dichter. Für das Autobahnkreuz Memmingen meldete der Verkehrsfunk gar den totalen Stillstand. Wir verließen die A96 und schlugen uns über Landstraßen weiter in Richtung Ulm durch.

Zu diesem Zeitpunkt machte uns das Wetter keine großen Hoffnungen, viel von der Sonnenfinsternis mitzubekommen. Dichte Bewölkung und einige Regenschauer bestimmten das Bild. Auf halber Strecke zwischen Memmingen und Ulm wurde plötzlich eine große Wolkenlücke sichtbar und gab erstmals einen Blick auf die Sonne frei. Allerdings war es erst 10.30 Uhr und von der Finsternis noch nichts zu sehen. Bei einer kurzen Pause bestimmten wir die Windrichtung und nahmen schließlich die Verfolgung der Wolkenlücke in Richtung Osten auf. Einen genauen Zielort unserer Reise hatten wir uns aus gutem Grunde nicht vorgenommen. Eine besondere Aufgabe kam dem Beifahrer zu, dem Navigator. Mit Blick zum Himmel und in die Karte mußte die weitere Fahrtroute bestimmt werden.

Inzwischen war es 11.15 Uhr und der Mond begann, sich langsam vor die Sonne zu schieben. Um die Wolkenlücke nicht zu verlieren machten wir immer wieder kurze Pausen und beobachteten den Himmel. Überall am Straßenrand standen Menschen neben ihren Autos und betrachteten die Sonne. Bis 12.20 Uhr fuhren wir weiter nach Osten. Schließlich, wir waren schon fast in Augsburg, hielten wir abseits der Straße auf einem Feld.

Allein waren wir auf dem Feld nicht. Hinter uns hielt ein Wagen aus der Gegend um Kempten, etwas abseits standen Sonnenbeobachter aus den Niederlanden. Zusammen fieberten wir der Jahrhundertfinsternis entgegen und hofften, dass die Wolkenlücke die Finsternis überdauert. Die Umgebung hatte inzwischen eine merkwürdige Färbung angenommen. Die Verfinsterung war hingegen kaum zu spüren. Die Autos warfen noch klare Schatten.

Endlich, um 12.35 Uhr war es soweit. Gespannt schaute ich durch meine Schutzbrille auf die Sonne, bis das letzte Stück der hauchdünnen Sichel verschwunden war. Als ich meinen Blick auf die Erde richtete bemerkte ich plötzlich, daß es dunkel war. Der Horizont leuchtete orange. Wolkentürme standen schwarz und geheimnisvoll vor dem Licht ferner Gebiete ausserhalb des Schattens. Die Umgebung war in ein schwaches weisses Licht getaucht. Der Gesang der Vögel verstummte, nur der Wind rauschte in den Blättern.

Mit bloßem Auge genoß ich jetzt den Anblick der Korona. Das was ich sah übertraf alle meine Erwartungen. Eine kleine Wolke trieb an der verfinsterten Sonne vorüber und schimmert in den schönsten Regenbogenfarben. Den wenigen Menschen um mich herum war die Faszination anzusehen. Wir redeten nicht viel.

Nach nur 2 Minuten und 17 Sekunden zeigte sich die Sonne wieder hinter dem Mond. Die ersten Sonnenstrahlen blitzten auf. Den raschen Wechsel der Helligkeit bekam ich nun viel intensiver zu spüren. Ebenso schnell wie es dunkel wurde, kehrte das Sonnenlicht zur Erde zurück. Das Ereignis ging genauso zu Ende wie es begonnen hatte.

Wir betrachteten noch einige Minuten die Sonne. Dann holten die Wolken uns ein und versperrten den Blick. Von unseren Mitbeobachtern verabschiedeten wir uns mit dem Gruß: "Bis zum nächsten mal." Mit einem erleichterten Gefühl stiegen wir ins Auto und fuhren zurück Richtung Autobahn. Insgesamt waren wir 10 Stunden unterwegs und fuhren fast 600 km, nur um einmal den Mond zu sehen, der die Sonne verdeckt.

5. Schlußbetrachtung

Die letzte Sonnenfinsternis des ausgehenden Jahrtausend bewegte viele Menschen. Sie erlagen der Faszination der plötzlichen Dunkelheit. Einige sahen die verdunkelte Sonne, der größte Teil sah sie nicht. Aber beeindruckt waren sie alle. Ob auf einem einsamen Feld oder inmitten einer großen Menschenmenge auf dem verregneten Stuttgarter Schloßplatz.

Das Erlebnis, dabei gewesen zu sein, wird für immer in den Köpfen der Menschen überleben. Für die meisten war es die einzige Finsternis, die sie mit eigenen Augen sehen konnten. Selten wurden von einem Naturschauspiel so viele Menschen angezogen.

Für jeden, der es nicht gesehen hat, bietet sich die nächste Gelegenheit am 21. Juni 2001 in Südafrika. Wer Europa nicht verlassen will muß am 29. März 2006 in der Türkei sein. Die nächste in Deutschland sichtbare Finsternis läßt noch bis zum 3. September 2081 auf sich warten. Wer die Möglichkeit hat eine Sonnenfinsternis zu sehen, sollte auf jeden Fall die Totalität erleben, denn erst sie macht die Finsternis aus.

Was bleibt nach der Finsternis?

Eine schöne Erinnerung ist geblieben an ein einmaliges und interessantes Erlebnis.

Die Welt ist nicht untergegangen und die Massenbegeisterung ist vorbei. Die Menschen sind in den Alltag zurückgekehrt und der Lauf der Zeit geht weiter. Aber auch zur nächsten Sonnenfinsternis werden wieder viele Menschen pilgern. Der Weltuntergang wird zum wiederholten Male vorausgesagt. Es werden Geschäfte gemacht. Und die Menschen werden fasziniert sein. Wie bei jeder Sonnenfinsternis.

Und eine Geschichte ist geblieben, die Geschichte der Faszination Sonnenfinsternis:

"Ich war dabei, ich hab' sie gesehen."

Roman Mättig