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DOS in der Szene
mados

Ist DOS tot? Diese Frage stellt sich sicherlich jeder, der schon einmal ein Grafikdemo, ein Diskmag oder etwas ähnliches machen wollte. Hat es Sinn, heute noch Grafikdemos für DOS zu programmieren? Braucht ein Diskmag, wenn es erfolgreich sein will, heute noch eine Oberfläche für DOS? Hat es überhaupt Sinn, sich über diese Frage den Kopf zu zerbrechen? Ist DOS tot?

DOS ist im Grund nur ein Betriebssystem. Es ist sicherlich nicht das beste und wichtigste Betriebssystem, aber es hat die Welt der Heimcomputer entscheidend beeinflusst und geprägt. DOS ist ein offenes System. Es lässt dem Programmierer völlig freie Hand und zwingt ihm kaum eine störende Beschränkung auf. Direkte Zugriffe auf die Hardware sind mit geeignetem Wissen ebenso machbar wie die Nutzung der Grafikkarte und die grenzenlose Manipulation des Speichers. Und genau deswegen ist DOS auch heute noch relativ beliebt bei Programmierern und Hackern. Kaum ein anderes Betriebssystem macht es möglich, ein effektvolles Grafikintro in nur 256 Bytes zu packen. Und das ist einer der wichtigsten Punkte, die einen wahren Coder interessieren.

DOS ist ein verbreitetes System. Beinahe jeder Computer, der heute in privaten Haushalten steht, hat irgendeine Form von DOS auf der Festplatte. In Windows 95, 98, NT, ja selbst in Windows 2000 ist zumindest eine Emulation eingebaut, die fast jedes DOS-Programm ausführen kann. Und selbst unter Linux ist es ganz leicht möglich, einen DOS-Emu zu installieren.

DOS-Box

Und trotz alledem ist DOS tot. Es verschwindet langsam aber sicher und wird durch Windows, manchmal auch Linux abgelöst. Wer hat denn heute noch ein echtes DOS auf seiner Festplatte und arbeitet damit? Doch nur Leute, die ihren Computer kaum benutzen - höchstens als bessere Schreibmaschine. Die Massen haben Windows 95 oder schlimmeres...

Ist es heute noch sinnvoll, für DOS zu programmieren? Ich will versuchen, die Problematik dieser Frage anhand von Beispielen darzustellen...

Manchmal geht die Entwicklung am Ziel vorbei. Nehmen wir ein beliebiges Grafikdemo, programmiert für DOS. Es benötigt neben heute schon alltäglichen Dingen wie VESA 2.0 mindestens 32 Megabyte Arbeitsspeicher und einen Prozessor mit 400 Megahertz. Trotzdem läuft es unter DOS. Hier stellt sich die berechtigte Frage, warum es nicht gleich für Windows 95 programmiert wurde? Man kann doch davon ausgehen, dass auf Computern dieser Leistungsklasse zumindest eine frühe Version dieses Betriebssystemes vorhanden ist.

Ein anderes Beispiel: Die fünfte Ausgabe des Diskmags IMAgE kann wahlweise mit einer Windows- und einer DOS-Oberfläche gestartet werden. Das Programm ist unter DOS jedoch so langsam und ressourcenhungrig, dass es auf Prozessoren unter 200 Megahertz gar nicht erst startet. Auch auf einem Pentium 266 ist es so langsam, dass man den Bildschirmaufbau leicht mitverfolgen kann. In diesem Fall stellt sich nun die Frage, warum man überhaupt eine Oberfläche für DOS programmiert hat. Diese Tatsache wirkt sogar regelrecht absurd wenn man bemerkt, dass die Windows-Oberfläche um ein vielfaches schneller arbeitet als ihr Gegenstück unter DOS.

Fakt ist: Auf nahezu jedem Computer ab 200 Megahertz wird heutzutage Windows 95 oder höher benutzt. Selbst, wenn ein Rechner standardmäßig mit Linux bootet, ist doch in vielen Fällen eine zweite Partition mit Windows vorhanden. Auch beim Voting hier im WildMag hat ausnahmslos jeder das Feld "Windows" angekreuzt. Fakt ist auch, dass nur noch wenige "Szener" einen Computer besitzen, der älter als einen P200 ist. Man kann also inzwischen davon ausgehen, dass man mit einem ausschließlich für Windows 95 programmierten Demo oder Diskmag den größten Teil seiner Zielgruppe erreichen wird.

Diskmags wie Hugi, Pain, Shine und viele andere haben diese Entwicklung erkannt und setzen sie nach und nach um. Zukünftige Ausgaben werden nur noch unter Windows 95 oder NT funktionieren. Als oft einzige Alternative kann man die Magazine manchmal auch in reiner Text- oder Html-Form lesen. Diese Möglichkeiten bieten freilich nicht den Komfort einer Windows-Version...

Ist es heute noch sinnvoll, für DOS zu programmieren? Ich denke, ja. Schließlich gibt es immer noch Leute, die zum Beispiel einen Pentium 100 besitzen und damit zufrieden sind. Es wäre sehr schade, gerade auf diese Potentiale zu verzichten, indem man sie durch die Wahl des Betriebssystemes aus der Szene ausschließt. Ich denke auch an die Leute, die selbst ihren Pentium III regelmäßig mit einem ordinären DOS booten. Für sie ist es bequem und komfortabel, wenn ein Diskmag auch dann noch problemlos startet. Auch, wenn die für Windows 95 geschriebenen Version zum Beispiel unter NT nicht funktionieren will, ist eine Version für DOS sicher willkommen. Ich erinnere wieder an das Voting: Fast die Hälfte der Personen setzte auch bei "DOS" ein Kreuzchen!

Wie man sieht, ist die Eingrenzung der Zielgruppe sehr wichtig. Bei einem Grafikdemo, das ganz spezielle Anforderungen an die Hardware stellt, ist die Wahl des Betriebssystemes fast egal. Wenn der Nutzer aber zwischen einer DOS- und Windows-Version wählen kann, dann sind die jeweiligen Systemanforderungen der beiden Möglichkeiten elementar.

Bei Windows ist alles klar. Direct-X, 64 Megabyte Speicher und einen Prozessor mit 400 Megahertz kann man heute schon als Standard annehmen. Bei DOS sieht das schon ganz anders aus. Wenn ein für dieses System geschriebenes Programm nicht mindestens auf einem Pentium 200 mit 16 Megabyte Speicher ruckelfrei läuft, dann kann man sich die Mühe sparen und ganz darauf verzichten. Im Idealfall sollte das DOS-Programm selbst auf einem Pentium 75 noch startbar sein.

Natürlich erwartet keiner, dass ein solch anspruchsloses DOS-Programm die gleichen Effekte und Features bietet wie sein Windows-Pendant. Gerade bei einem Diskmag verzichtet man gern auf True Color, Animation und Musik, wenn man es dafür auf einem guten alten Pentium 100 noch lesen kann. Wer Musik und Animation will, und einen entsprechend leistungsfähigen Computer besitzt, der hat mit Sicherheit auch Windows 95 und kann die Windowsversion des Diskmag's dort starten.

Übrigens: IMAgE wird mit seiner sechsten Ausgabe ganz auf die DOS-Oberfläche verzichten. Und zum WildMag wird es bald neben einer Linux-Version auch eine kleine, schnelle DOS-Version geben.

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