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Hacker, Cracker, Demoszener - Varietäten und Prestige in CMC
Jan Clasen

1. Einleitung

Noch vor wenigen Jahren hätte man eine Arbeit wie diese mit den Worten eingeleitet, das Internet, und alle mit ihm verbundenen Kommunikationsformen, werde in naher Zukunft eine immer größere Rolle im alltäglichen Privat- und Berufsleben einnehmen. Inzwischen ist das nicht mehr nötig, denn dieser Punkt ist erreicht. Es ist nunmehr ein weiteres breit akzeptiertes wie genutztes Kommunikations- und Informationsmedium, dessen Möglichkeiten zwar noch lange nicht erschöpft, aber doch zumindest erkannt worden sind. Kaum jemand, der etwas auf sich hält, kann es sich leisten, auf seinen Visitenkarten nicht mindestens eine eMail-Adresse und/oder Homepage zu drucken. Es ist inzwischen sogar so sehr etabliert, dass es nicht nur von Privatmenschen genutzt wird, sondern auch unzählige wissenschaftliche Arbeiten über CMC (Computer Mediated Communication) im Umlauf sind - das "neue Medium" ist also nicht mehr ganz so neu, wie man es uns gerne glauben macht. In all diesen Arbeiten wird zumeist nur die Kommunikation der breiten Nutzermasse beleuchtet, doch das Internet hat einen weiten Einzugsbereich.

Was ist nun also mit den Menschen, für die das Internet und der Computer schon lange kein "neues Medium" mehr ist, sondern seit Jahren oder gar Jahrzehnten zum Alltag gehört, deren Beruf es ist, 8 Stunden am Tag den Computer nicht nur als Werkzeug für Büroarbeiten nutzen, sondern eben diese Werkzeuge oder Unterhaltungssoftware programmieren? Was ist mit den Menschen, die sich in ihrer Freizeit fast nur mit dem Computer beschäftigen? (Wir lesen in der Zeitung oft genug von "Internetsüchtigen".)

Diese Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die Sprache genau der Menschen zu untersuchen, die man in der Presse gerne als "Hacker" abtut, die für sich den Computer vielleicht nicht als Lebensinhalt, aber doch als wichtigen Faktor entdeckt haben, und zwar unter denen vornehmlich die sogenannte Demoszene.

1.1. Wer oder was ist die Demoszene?

Ein kurzer Überblick: Die Demoszene gibt es, seit es Heimcomputer gibt (wenn auch nicht in der heutigen Form). Denn seit die ersten Heimcomputer Anfang der 80er Jahre auf den Markt gekommen sind, gibt es auch Menschen, die versuchen, Programme für diese Computer illegal zu vervielfältigen, den Kopierschutz zu umgehen, Raubkopien zu erstellen und zu verbreiten, kurzum, sie zu "cracken". Und da meistens noch Platz auf den Datenträgern war, programmierten die Cracker (oder auch "Warez dudez") kurze Sequenzen mit Grafiken, Musik und "scrollenden" Texten, in denen sie andere Cracker grüßten, oder ausdrücklich nicht grüßten. Aus dieser Gemeinschaft bildete sich ein Teil heraus, der sich nur noch auf das Programmieren dieser kleinen Sequenzen, der sogenannten "Intros" beschränkte, und die Demoszene wurde geboren.

Es entstanden Gruppen, in denen man sich die Arbeit aufteilte, die Intros wurden länger und irgendwann zu Demonstrationen der eigenen Programmierkunst und Kreativität - zu Demos; mit für die damaligen Rechnerleistungen teilweise verblüffenden Ergebnissen. Inzwischen ist die Demoszene mit Hilfe des Internets sehr groß geworden und auf nahezu allen Computersystemen (auch auf Videospielkonsolen) der Moderne wie der Vergangenheit rund um den Globus zu Hause. Es werden jährlich dutzende Partys in Europa, Amerika und Australien mit bis zu 1000 Teilnehmern veranstaltet, bei denen die Gruppen ihre Produktionen vorstellen und vom Publikum bewerten lassen.

1.2. Und was ist daran so interessant?

Wie fast jede soziale Gruppe hat natürlich auch die Demoszene einen gewissen Soziolekt entwickelt, beeinflusst durch das Medium, auf dem sie beruht - dem Computer. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Demoszene im Grunde genommen ein Mittel zweier verschiedener Gemeinschaften ist. Zum einen gibt es die, die ihre Ursprünge bei den Crackern (s.o.) haben, zum anderen gibt es diejenigen, die sich mehr zu den "Hackern" hingezogen fühlen. RAYMOND (2000) definiert einen Hacker wie folgt:

"1. A person who enjoys exploring the details of programmable systems and how to stretch their capabilities, as opposed to most users, who prefer to learn only the minimum necessary. 2. One who programs enthusiastically (even obsessively) or who enjoys programming rather than just theorizing about programming. [...]"

Ein Cracker hingegen:

"One who breaks security on a system. [...] Crackers tend to gather in small, tight-knit, very secretive groups that have little overlap with the huge, open poly-culture this lexicon describes; though crackers often like to describe themselves as hackers, most true hackers consider them a separate and lower form of life."

Man könnte Cracker und Hacker also derart unterscheiden, dass Cracker vornehmlich destruktiv handeln, während ein Hacker ein weitestgehend produktiver Programmierer ist. Diese Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht zu untersuchen, wie die beiden Varietäten oben genannter Gruppen sich nun zu einer dritten entwickelt haben. Wenn sie es getan haben. Dazu ein paar Fakten.

2. Beobachtete Phänomene

Die folgenden Beispiele stammen zu ungefähr gleichgroßen Teilen aus einschlägigen Newsgroups, wie comp.sys.ipm.pc.demos und anderen Foren des News-Servers news.scene.org (eine News-Server, der von Mitgliedern der Demoszene eingerichtet wurde und betreut wird), aus persönlichem eMail-Verkehr, aus mehreren IRC-Kanälen der Mekka & Symposium 2000 (eine Demoparty (s.o.) zu Ostern dieses Jahres, auf der ich selbst war, und die im eigenen Netzwerk einen eigenen IRC-Server eingerichtet hatte), aus RAYMOND (2000) sowie aus persönlichen Gesprächen. Man muss dabei beachten, dass alle drei erwähnten Sprachgemeinschaften international sind, und damit Englisch nicht für jeden die Muttersprache ist.

"Elite" (Adjektiv und Substantiv) ist der übliche Terminus für außerordentlich gut, "lame" respektive "lamer" das Gegenteil.

2.1. Hacker
2.1.1. "Falsche" Derivationen

Häufig zu beobachten sind falsche Derivationen als Folge von (bewusster) Übergeneralisierung:

(1) mysterious => mysteriosity
(2) obvious => obviosity
(3) win => winnitude
(4) loss => lossitude
(5) hack => hackification
(6) positiv => despositiv
(7) "As soon as i have more than one headfull of ideas, i start writing it all down."

2.1.2. Multiplikation

Während das Standardenglische onomatopoetische Verbverdopplungen, wie "Bang, bang!" kennt, neigen Hacker dazu, Verben zur Markierung eines sarkastischen Kommentars zu verdoppeln:

(8) "The diskheads just crashed." - "Loose, loose..."
(9) "Mostly he talked about his latest crock. Flame, flame."

Im Usenet gibt es häufig sogar Newsgroups mit Verdreifachungen im Namen:

(10) comp.unix.internals.system.calls.brk.brk.brk
(11) sci.physics.edward.teller.boom.boom.boom
(12) alt.sadistic.dentists.drill.drill.drill

mit (v.a. in (12)) ähnlicher sarkastischer Intention.

2.1.3. Anlehnungen an Programmiersprachen

Hacker verbringen sehr viel Zeit am Computer, und die meiste Zeit davon verbringen sie vermutlich mit Programmieren. Sie beherrschen daher mindestens eine Programmiersprache so gut, dass sie archetypische Konstruktionen einer Programmiersprache gerne mit der "echten" Sprache vermischen.

2.1.3.1. '-P'

In der Programmiersprache LISP gibt es die Konvention zur Markierung einer booleanschen Variable (ein Wert der nur wahr (true) oder falsch (false) sein kann) ein "p" an sie anzuhängen. Hängt man an ein Wort also ein "p" wird dieses einzelne Wort zu einer Ja/Nein-Frage (vornehmlich bei schriftlichen Dialogen):

(13) "Nervousp" - "Not really, wouldn't be the first lossage..."
(14) "Foodp" - "T"

In (14) geht der Angesprochene auf das Wortspiel ein und führt es weiter, indem er die für LISP übliche Abkürzung für eine Möglichkeit des Wertes für "Food" angibt, in diesem falle "t" für "true", also wahr. Eine alternative Antwort wäre "Yes, I am quite hungry".

2.1.3.2. Andere logische Operatoren

Wir kennen aus der Mathematik das Zeichen "=" für "gleich", also würde a=b als "a gleich b" gelesen. In Programmiersprachen gibt es eine Vielzahl solcher sog. Operatoren, die die logischen Zusammenhänge zweier oder mehr Operanden ausdrücken. Je nach Programmiersprache sehen diese natürlich anders aus, für "ungleich" gibt es beispielsweise "!=", "<>", "/=", usw.

(15) "hey, i met jim once!" - "jim != me..."

2.1.3.3. [random] und ^H^H^H^H

In den Dokumentationen von Software findet man häufig in Beispielen eckige ([...]) oder spitze (<...>) Klammern. Die eingeklammerten Begriffe stehen dabei für einen Überbegriff, von dem ein beliebiger Unterbegriff gemeint ist. Auch dies verwenden Hacker häufig in Gesprächen, die mal ausnahmsweise nichts mit Computern zu tun haben.

(16) "i would really like to have a [real plant] in my room ... they're so ... green."
(17) "man, i've been in this for hours ..." - "so what?" - "get me a <food>!"

Desweiteren ist es manchmal nötig, dass man in Dokumentationen ein akzeptiertes Graphem für die Backspacetaste verwendet. Hierfür hat man sich auf "^H" geeinigt. Infolge dessen sieht man vereinzelt Sätze wie diese:

(18) "Have you seen my fuckin^H^H^H^Hlost code on you hd somewhere?"

Ausgesprochen hieße es in etwa: "Hast du meinen verdammten, äh, verlorenen Code irgendwo auf deiner Festplatte?"

2.1.3.4. html

Seit sich über das Internet das .html-Format immer weiter verbreitet hat und von fast jedem Hacker beherrscht wird, gibt es seit den letzten Jahren immer wieder Anlehnungen an diese Textmarkierungssprache. In HTML werden ganze Textpassagen markiert, indem man um sie "einklammert":

(19) <bd> Herzlich willkommen, meine Damen und Herren! </bd> <br> Hiermit begrüße ich Sie herzlich [...]

Alles, was zwischen dem Tag (der Markierung) "<bd>" und "</bd>" steht, wird mit mit "bd" markiert ("bd" steht für "bold", der Satz "Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren!" wird also in der Ausgabe fett dargestellt). Ähnlichen markieren in letzter Zeit auch Hacker Textpassagen mit Pseudo-Tags:

(20) "How do you like it?" - "I am not sure, er, ... <flame> this is the fucking worst peace of crapcode my mother has ever seen in her far too long life! </flame> ... not my taste ..."

"Flame" ist der übliche Begriff für überzogen und ungerechtfertigt gemein.

2.2. Cracker

Die Crackervarietät ist weitaus augenscheinlicher als die der Hacker, und fällt jedem Laien sofort auf, wenn er sie sieht - nicht unbedingt als die Varietät der Cracker, vielmehr als ungewohntes Schriftbild. Im Zuge dessen kommt sie im Grunde genommen nur in schriftlicher Kommunikation vor, da sie mündlich nicht umsetzbar ist.

2.2.1. Rechtschreibung

Cracker legen es darauf an, nahezu alles in falscher Orthographie zu schreiben - insbesondere dann, wenn es nur zwei "Möglichkeiten" geben kann. So wird beispielsweise "ph" grundsätzlich zu "f" und umgekehrt, sowie "s" zu "z" (interessanterweise häufig dann, wenn die englische Standardaussprache ein [z] vorschreibt).

(20) phone => fone
(21) freak => phreak
(22) loser => lozer
(23) dudes => dudez
(24) dudes => doodes
(25) elite => eleete

2.2.2. Substitution

Sehr beliebt ist das Austauschen von Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern, wie "0" für "O", "3" für "E", "1" für "L" oder "I", usw. Zuweilen sieht man auch Buchstaben durch Buchstaben ersetzt ("X" für "K"), Sonderzeichen des ASCII-Codes, wie z.B. "$" für "S".

(26) leech => l33ch
(27) cash => ca$h
(28) mood => m00d
(29) lamer => 1amer

2.2.3. Emphase durch "k-"

Nahezu alle Adjektive und alle Qualität ausdrückenden Substantive lassen sich durch ein vorangestelltes "k-" verstärken.

(30) "that's what i call a k-cool piece if crap!"
(31) "how do you do this?" - "k-lamer!"

2.2.4. Groß- und Kleinschreibung

Manche Cracker neigen dazu, v.a. in kurzen Mitteilungen oder Überschriften, offensichtlich willkürlich auch innerhalb eines Wortes Groß- und Kleinbuchstaben auszutauschen.

(32) "baCk in The hOUse!"
(33) "MeeT yoUR CrEatOR!"

2.2.5. Kombination

Natürlich lassen sich all diese Phänomene kombinieren, was für den Außenstehenden zu abenteuerlichen Ergebnissen führen kann.

(34) "d00D! u R an '1337 hAx0r!" ("dude! you are an elite hacker!")
(35) "what have you done?" - "m0N$ta &cRIp7 r1tn, 1Amr" ("monster script written, lamer")

Derartige Häufungen sind natürlich selten, denn die Grenzen der Lesbarkeit sind schnell erreicht, und doch kann man sie, v.a. in Kurzmitteilungen oder Überschriften, beobachten.

2.3. Die Demoszene
2.3.1. Anlehnungen an Programmiersprachen

(36) "<sarcasm> yes, and think of all those people you could meet in reallife instead of just chatting with them, eww!! </sarcasm>" - "<actual party consideration> yes, and think of all those sick freaky nerds that go to parties and keep on IRC chatting there also, since they have lost any human interfacing capability. </actual party consideration>"

Dieser Dialog stammt aus dem Usenet und bedient sich Pseudo-HTML-Tags (s. 2.1.3.4).

(37) "it was kind of meant as a joke, see. i already know about those oldtime scene dudes like Tran [person] and Amnesia [group] (ok, maybe i know more ifi spent time thinking of it)."

Hier sind die Textstellen "Tran [person]" und "Amnesia [group]" bemerkenswert. Es handelt sich hierbei um eine Anlehnung an Variablendeklarationen in diversen Programmiersprachen, bei denen zunächst der Name und dann der Variablentyp in eckigen Klammern steht. In diesem Falle spielt der Schreiber darauf an, dass man bei den verschiedenen Künstlernamen der Szener und den Namen ihrer Gruppen nicht unbedingt weiß, was ein Person und was eine Gruppe ist, wenn man sie nicht kennt.

(39) "demoscene. It's because you people have all turned into bickering old women." - "this newsgroup != demoscene. It's a snapshot of the people in the demoscene."

(40) "What is Icarus, how can this person complain about low support level when no one knows about it (no one = me in this case :)"

Zwei Beispiele für die Verwendung logischer Operatoren ("!=" in (39) und "=" in (40), s. 2.1.3.2).

(41) "I guess that's what this newsgroup is for. Btw, did I mention...
a) Linux is much better for demos than Windows
b) Ripping mp3 sucks
c) Old demos are much better
d) Design is irrelevant
e) Envmapping with facenormals is doable seemlessly
f) goto a)"

In diesem Dialog aus comp.sys.imp.pc.demos geht es darum, dass innerhalb der Newsgroup immer nur dieselben Themen diskutiert werden. Der Antwortende greift dabei auf die Programmiersprache BASIC zurück, in der jede Programmzeile eine Nummer hat (in diesem Falle Buchstaben), und in der man mit dem Befehl "goto xx" zu einer beliebigen Programmzeile springen kann.

(42) "i can go to artgallery and enjoy some painting without thinking about the painting technique." - "true. To me, (so this is my own opinion) the melon demos weren't satisfying products, codewise nor demowise."

Die einsilbige Antwort "true" ist eine Anspielung auf booleansche Variablen (s. 2.1.3.1) und sehr häufig zu finden. Ebenso findet man statt "true" "false" als Ablehnung.

(43) "perhaps I have to wade deeper into the dark pool of crapcode^H^H^H^H^Hexportercode kinetix ships with 3dsmax ;)"

Durch den Smily ";)" wird die Ironie von "crapcode^H^H^H^H^Hexportercode" noch einmal explizit (s. 2.1.3.3).

2.3.2. Falsche Derivation

(44) "[Internet communications are not a joke.]" - "I said it was a joke? It has it's place, it's usefullness. I like this."

(45) "To be sure, a video DVD or a DVD rom?" - "Video DVD." - "Coolness."

Es handelt sich bei diesen Beispielen zwar nicht um wirklich "falsche" Derivationen (sowohl "usefulness" (44) als auch "coolness" (45) sind lexikalisierte Wortformen), doch wäre in diesen beiden Beispielsätzen das Adjektiv weitaus sinnvoller, und vermutlich ist mit den Substantiven auch ein adjektivischer Ausdruck gemeint.

2.3.3. Substitution

(46) "(For those who didn't see it, 33-nahkolor is a kind of good kasparov)" - "I didn't like that music either, to say the least. but who carez."

(47) "He coded kasparov, as far as we can trust the (now gone?) l33tgr0up membahz"

(48) "you could have made a plain opinion statement about it without trying to make it look like you were stating facts." - "Ok, it seems some airheads here don't understand the point of 'not having to agree with everyone', so next time I'll just post "IT SUX A$$", and it will be understood. happy? you gotta be. it's what you ask for."

(49) "ph33r >B)" - "I'm shivering all over, bro :)"

(50) "Ch33rz for the info . ... I can get the relevent (Fraunhofer) codec,... R3solved. Many thanx. .... . Be sure to visit.;- http://www.cfxweb.net/ Life is getting b3tter ... ." - "relax on the "l33tsp33k", it is lame"

Dies sind relativ viele Beispiele für Substitutionen (s. 2.2.2), wobei sie nach Konnotation geordnet sind. Während (46) ("carez") im Grunde genommen wertfrei bleibt und keinerlei Reaktion auslöst, werden die Substitutionen in (47) - (49) als sarkastisch provozierende Äußerungen gebraucht. (50) schließlich ist ein Beispiel, in dem unmittelbar zur "l33tsp33k" (elitespeak) Stellung genommen wird, hier wird sie als "lame" abgetan und verurteilt.

3. Zusammenfassung

Natürlich genügen meine Untersuchungen keinen statistischen Geboten, das würde den Rahmen einer solchen Arbeit sprengen, und doch geben sie mir Anlass zu behaupten, dass die Varietäten der Hacker, Cracker und der Demoszener eines gemeinsam haben: Sie spielen mit dem Medium, über das die Kommunikation die meiste Zeit abläuft, und das zugleich eine wichtige Rolle in ihrer Freizeit und/oder ihrem Berufsleben spielt - dem Computer. Alle drei sind das, was sie jeden Tag stundenlang tun, so gewohnt, haben es so verinnerlicht, dass sie es auf ihren Sprachgebrauch übertragen; man könnte in diesem Zusammenhang sogar behaupten, dass der Terminus CMC auf diese Gruppen am ehesten zutrifft. Selbstredend handelt es sich bei beiden Varietäten "nur" um Register, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sie auch dem Standardenglischen, bzw. ihrer Muttersprache mächtig sind, wie jeder andere auch, aber innerhalb der Register haben sich Konventionen entwickelt, die allgemein akzeptiert und angewandt werden.

Der Hauptunterschied zwischen der Varietät der Hacker zu der der Cracker ist, dass sich die Wort- und Sprachspiele der Hacker auf syntaktischer und morphologischer Ebene bewegen, während die der Cracker sich auf fast rein (ortho-)graphische Spielereien beschränken. Man kann sogar so weit gehen, und die beobachteten sprachlichen Ebenen mit denen ihrem Tätigkeitsfeld zu vergleichen: Ebenso, wie der Hacker neue Programme entwickelt, bestehende ständig optimiert und bemüht ist, Programmroutinen zu verstehen, erweitert er die Sprache um neue syntaktische Verhältnisse (s. 2.1.3.x) oder lotet beispielsweise alle "theoretisch möglichen" Derivationen aus, die die Pragmatik, nicht jedoch die Morphologie verbietet (s. 2.1.1). Der Cracker hingegen handelt aus eher destruktiver und weitaus weniger innovativer Natur. Seine Techniken Sicherheitslücken zu umgehen, haben weniger mit Programmiergeschicklichkeit zu tun, als mit dem ständigen Wiederholen bereits bekannter Routinen, und diese an neue Umstände anzupassen. Ähnlich geht er mit Sprache um. Er nimmt sich bestehende Wortformen, und wählt beispielsweise einfach eine, der Phonologie nicht unbedingt widersprechenden Schreibweise (s. 2.2.1), und wählt eine Alternative. Auch hier erfindet er nicht, sondern probiert Möglichkeiten.

Die Demoszene ihrerseits, als Sammelbecken beider Kulturen, scheint nun den Hackern den Vorzug zu geben; sehr viele Phänomene der Hackersprache hat auch die Demoszene aufgegriffen. Im gleichen Zug wird Crackersprache eher belächelt und für eine Sekte gehalten oder als Markierung für sarkastische Überheblichkeit genutzt. Anfragen von Unbekannten innerhalb einer Newsgroup, die sich allzu offensichtlich der Crackervarietät bedienen, werden sogar direkt darauf angesprochen und - vielleicht nicht verurteilt - aber doch zur Räson gerufen (vgl. (50)).

Verleugnet die Demoszene also ihre Wurzeln? Ich bin in meinen Untersuchungen eher zum Schluss gekommen, dass sich der Teil der Crackerkultur, der zur Demoszene wurde (s. 1.1) so sehr von der Idee der Crackerkultur abwandte hin zu einer eher mit der Hackerkultur Vergleichbaren, dass sich ebenso ihr Sprachgebrauch änderte.

4. Literatur

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass zu Hacker- und Crackersprache fast keine gedruckte Literatur erschienen ist, wenn ich richtig recherchiert habe; daher weise ich darauf hin, dass manche Quellen aus dem Internet stammen. Das bedeutet prinzipiell nun nichts schlechtes, nur, dass vieles von weitestgehend unbekannten Autoren stammt, nämlich von Mitgliedern der beschriebenen Szenen. Außerdem erfuhr ich vieles nicht durch Literatur, sondern durch eMail-Verkehr, das Usenet, Livechats sowie persönliche Gespräche.

Fehr, Jörg: Beobachtungen zum Kommentieren in Mailinglisten, 1997
Hagen, Lutz M.: Online-Nutzung und Nutzung von Massenmedien, 1998
Hentschel, Elke: Communication and IRC, 1997
Höflich, Joachim R.: Computerahmen und die undifferenzierte Wirkungsfrage, 1998
Krotz, Friedrich: Computervermittelte Kommunikation im Medienalltag, 1998
Leonard, Jim: PC Demos Explained, 1998, www.oldskool.org/demos/explained
Maier, Gunther: Möglichkeiten von Online-Kommunikation, 1993
Raymond, Eric S.: The Jargon File 4.2.0, 2000, www.tuxedo.org/~esr/jargon
Wenz, Karin: Formen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit in digitalen Medien, 1997

Jan Clasen