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Mr.Rip's Gedankenleben
Heute: Scheinindividualität

Mr.Rip

Die Sonne scheint, und ich schaue aus dem Fester. Aus dem 2. Stock hat man einen guten Blick auf das ganze Treiben im Park, und wenn die Sonne so schön wie heute scheint, dann liegt auch die Kamera einsatzbereit auf dem Fenstersims. Das "Objekt der Begierde" wird natürlich auch im Zoombereich genau unter die Lupe genommen. Manche davon laufen in Alltagskleidung über die Wiese, und manche machen sich zurecht wie an Fasching. Bunt geschminkt mit flippiger Kleidung rennen junge Warmblüter herum, und so manches Mal möchte ich das Fenster aufreißen und schreien: "Die 60er sind vorbei, du blöde Kuh!"

Andere hingegen tragen kurze Röcke, und so manches Mal wünschte ich mir, ich könnte nur für einen Moment von unten rauf schauen. Das allerdings auch nicht bei jeder. So manch eine hat einen Körper mit gewaltigem Umfang, der entweder die Sonne verdunkelt oder einfach nur zur Erblindung führt. Oft rennen solchen Frauen auch Kinder hinterher. Aber nicht, um sich über sie lustig zu machen, sondern einfach deshalb, weil diese Frauen schon eine eigene Gravitation besitzen.

Spielende Kinder beobachte ich von hier aus besonders gerne. Zwar würde ich sie gerne mal treten, wenn sie Kaugummi auf meine Lieblingsbank kleben oder die Antenne eines deutschen Markenautos abbrechen, aber dafür strahlen sie die reine Unschuld aus, wenn sie auf der Wiese mit einem Ball spielen. Kinder sind eben etwas Besonderes, allerdings werden sie das nicht lange sein, und das auch immer kürzer. Auch sie eifern den Markennamen nach. Die Schulsachen müssen bestimmte Aufschriften tragen, die Kleidung braucht nicht nur drei Streifen sondern auch all die coolen Namen die dazu gehören. Kleine Mädchen müssen sich immer früher schminken und das Handy sollte man mit 12 auch schon haben, spätestens!

Was ist aus der Individualität der Menschen geworden? Durch was sollen sich die jungen Menschen noch identifizieren? Klar ist, dass wir mit all dem nutzlosen Zeug einfach dazu gehören. Zu wem? Natürlich zur Gesellschaft. Ich persönlich habe nichts gegen Handys, bestimmt nicht, aber was um alles in der Welt will eine kleine Göre mit 10 Jahren damit anstellen? Wenn ich hier aus meinem 2. Stock die Kinder beobachte, die minutenlang an der Strippe sind und reden, dann frage ich mich, wer denen das gekauft hat und vor allem warum?

Bei Gesprächen mit Eltern kam ich dann auf die Antwort. Klar, wenn das Mädchen den Bus verpasst hat, dann kann es zu Hause anrufen und die Eltern fahren es selber in die Schule. Ich bin zwar in meiner Kindheit auch kilometerweit gelaufen, aber das tut hier nichts zur Sache. Wenn es der kleinen Göre nachts um zwei auf einer Party schlecht geht, kommen die Eltern und holen es ab. Die Frage, was ein Mädchen mit 12 Jahren nachts um zwei auf einer Party zu suchen hat, lassen wir mal außer Acht. Der für mich lustigste Punkt ist aber der, an dem Eltern sagen: "Wenn ihr etwas passiert, kann sie anrufen." Ich meine, wie soll ich mir das vorstellen? Ruft sie dann einfach an und sagt: "Mama, hier steht ein Typ, der mich jetzt vergewaltigen will, holst du mich mal ab?"

Von hier oben kann man auch wunderbar das Verhalten junger Männer (15 bis 18) gegenüber Frauen beobachten. Ich will die Männer an dieser Stelle nicht als Rudeltiere bezeichnen, die gerne furzen und rülpsen, wenn andere Männer dabei sind. Ich will an dieser Stelle auch nicht sagen, dass Männer einen unbändigen Drang haben, ihre Männlichkeit zu zeigen, zumindest verbal. Allein die Körpersprache, die Haltung, das Einziehen der unsportlichen Bäuche und das Breitwerden der Schultern, wenn eine Frau kommt, zeigt mir allerdings, dass wir vom Urmenschen doch noch nicht so weit weg sind. Das demonstriert mir auch immer wieder der eine oder andere Grunzlaut, den ich vor der Eingangstür höre, und ich kann es nicht leugnen, auch ich habe manchmal das Verlangen danach.

Die Frauen hingegen reden nur. Man sagt, dass ein Mensch nur wenige Prozent seines Gehirns nutzt und ich könnte schwören, wenn ein Mann sich alles merken würde, was eine Frau sagt, dann wäre er innerhalb weniger Wochen bei seinen 100 Prozent. Jedes weitere Wort würde den Mann dann umbringen. Das Letzte, was der Mann von sich geben würde, wäre "Speicherüberlauf!" und er würde tot umfallen. Frauen dürfen sich nicht wundern, dass Männer ihnen nicht so genau zuhören. Wie sollen wir wissen, was jetzt wichtig ist und was nicht? Und überhaupt, es ist ja nicht so, dass wir nicht zuhören wollen, es ist einfach der Überlebensinstinkt. Der Gleiche ist natürlich auch dafür zuständig, dass wir nur an Sex denken. Würde der Mann in dieser Hinsicht so denken wie eine Frau, dann wären wir schon als Affenmenschen ausgestorben.

Draußen wird es so langsam dunkel und die Jugendlichen fangen an Bier, Wein und Wodka zu trinken. Ich wette, sie werden wesentlich älter als ich. Alkohol konserviert.

Mr.Rip