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Tracking Guide - Teil 2
Die zehn Newbie-Tracker-Gebote
in Stein gemeißelt von Tomaes

5.) Der erste Song

Soweit die Vorspeise, es wird Zeit für das Hauptgericht. ;-) Wie fange ich am besten an? Oder besser, womit? Natürlich erstmal die Samples nacheinander laden und tunen. Wie man nun anfängt und im einzelnen weiter vorgeht, ist eigentlich nicht wirklich entscheidend. Folgende Möglichkeiten:

1.) Drums/Percussions zuerst, dann den Rest darauf aufbauen.
2.) Bassline zuerst, darauf die Percussions/Drums aufbauen, erst dann den Rest.
3.) Melodie zuerst, dann den Rest "drum herum" aufbauen.
4.) Ein wenig mit dem (Midi-) Keyboard "jammen".

Wenn der Anfang erstmal gemacht ist, dürfte es mit dem "Rest" (die "restlichen" 90% des Songs also) keine Probleme mehr geben.

Auch keine schlechte Idee für den Einstieg: Ein Chiptune .

6.) Vom Newbie zum Oldbie

Na also, geht doch! Das erste Duzend Songs sind geschrieben. Und der ein oder andere Remix ist gemacht. Ein oder zwei Stücke sind sogar schon ganz annehmbar. Welcome on Level 2!

Nun gilt es, die Möglichkeiten, die das Handwerkszeug bietet, auch konsequent zu nutzen und auszureizen. War es früher fast verpönt, mehr als 16 Channels zu nutzen, ist dies heute (die CPU-Entwicklung ist ja seit 1994 nicht stehen geblieben) kein Problem mehr.

Ausgefeile Arragements mit vielen Echo-, Delay- und Stereo-Effekten machen dies unumgänglich. Auch selten genutze Features (z.B. mehr als ein Sample pro Instrument) sollte man sich zu Nutze machen. Ausgefeilte Panning- und Volume-Effekte, NNAs und Filter (soweit möglich und sinnvoll) kannst du ruhig nutzen, auch wenn der eine oder andere Player diese Features immer noch fleißig ignoriert. Auch sollte man mit Vocals experimentieren, live eingespielte Sequenzen einbetten und ausgefallende Chord-Folgen probieren.

All dies hat drei Dinge zur Folge:
1.) Die Files werden immer größer. 2 MB sind da heutzutage eher normal.
2.) Die Kompatibilität mit den meisten Playern nimmt ab. Oder anders gesagt: Es wird jetzt erst richtig deutlich, dass die meisten Player sucken. ;-)
3.) Die Anforderungen an die Hardware (vor allen an die CPU) steigen.

Wenn man einen Soundtrack für ein Demo oder ein Stück für ein Diskmag machen will, sollten man diese Punkte bedenken. Wenn man "nur so" Musik macht oder dieses Stück für eine Competition ist, braucht man sich nicht allzu viele Gedanken darum zu machen (natürlich sollte man die Compo-Rules beachten).

7.) To release, or not to release...

... das ist hier die Frage. Generell gilt: Niemals (!) den ersten Song veröffentlichen. Unter keinen Umständen! Den zweiten auch nicht. Und auch nicht den dritten. Wenn du das doch vorhast: Höre nochmal genau die "Referenz"-Stücke, die du am Anfang analysiert hast. Bist du wirklich sicher, dass deine ersten Versuche auch nur annäherungsweise herranreichen?

Am besten, du lässt die Tracks, die du zu releasen gedenkst, erstmal ein paar Tage liegen. Dann höre sie dir noch einmal an. Aus der "Ferne" etwas zu beurteilen, und mit etwas Abstand an die Sache herangehen, kann nicht schaden. Sei selbstkritisch, überlege, ob du nicht noch etwas verbessern könntest und ob die Soundqualität gut genug ist.

Gehe deinen (Tracker-) Freunden auf den Keks. Hol' ihre Meinung ein. Vielleicht können sie dir ein paar Tips geben, was man noch verbessern könnte.

8.) MOD vs. MP3

Ok, die Songs sind gut. Du bist dir ziemlich sicher, und ein paar Kumpels haben auch gesagt, dass sie "nicht schlecht" sind. Nun willst du aber wirklich releasen, und der großen weiten Welt deine Songs präsentieren. Aber in welchem Format? MP3 kennt jeder (dank Medienhype und endloser Napster-Diskussion), aber XM, IT, oder gar MT2? Eben, keiner. Am besten, ich liste mal kurz einige Punkte auf, die für oder gegen MP3 als Release-Format sprechen.

Pro
a.) Dein XM/IT-File ist 50 MB groß, geht aber nur 4 Minuten.
b.) (Fast) alle Player, die du probiert hast, können dein File nicht richtig abspielen.
c.) Du willst eine größere "Zielgruppe" erreichen, also auch die MIDI-Fuzzies, DAUs und sonstige unwissende Gestalten, die nicht wissen was ein MT2 ist, aber die Festplatte voller MP3s haben.
d.) Du benutzt Buzz, und hast 3000 PlugIns in deinem Song verwurstet.
e.) Du benutzt den MopPlug Tracker und VST PlugIns.
f.) Du willst eine (semi)professionelle Post-Production.

All diese Punkte sprechen eindeutig für MP3. Schauen wir nun noch auf die Schattenseite..

Contra
a.) Dein Song ist nur noch ein Audio-Stream. Soll heißen: Man kann deinen Song nur noch anhören, nicht mehr editieren, keine einzelnen Pattern anspringen, keine einzelnen Channels "muten" (deaktivieren) ect. Sprich: Es ist nicht mehr "Open Source".
b.) Keine "Hidden Parts" im Song möglich.
c.) Keine ausführlichen Greetings, Geschichten, Kommentare, Credits und sonstige Zusätze möglich.
d.) Dein Song ist in der Regel viel größer. Es ist absoluter Nonsense, einen 10 KB Chiptune in ein 3000 KB großes MP3-File umzuwandeln.
e.) Du machst ein Stück für ein 64kb-Intro. ;-)

Bedenke all dies. In aller Regel wirst du zunächst das Source-File veröffentlichen, weil's einfach mehr Sinn macht. Aber das eine zu tun, heißt ja nicht, dass man das andere lassen soll. Du kannst zwei Versionen machen. Ein Source-File und ein MP3 mit Post-Production und Myraden von zusätzlichen Effekten.

9.) Und nu?

Und wohin mit dem ganzen im Hinterhof zusammengeschraubten tonalen Geniestreichen? Auf die eigene WebSite natürlich. Aber das interessiert erstmal keine Sau, und ist ziemlich uneffektiv. Suche eine Plattform, die dir bei deinem Ansinnen entgegen kommt. Hier einige Vorschläge:

1.) www.traxinspace.com (Groß, nicht mehr so populär wie einst.)
2.) www.modplug.com (Keine Charts und Competitions.)
3.) www.alteredperception.com (Naja...)
4.) www.modarchive.com (...)
5.) www.mp3.com (Für die ganz Harten. Lies das "Kleingedruckte"!)

Du kannst auch einer Gruppe beitreten (oder eine gründen), und dann auf deren "Label" (naja, meist auch nur 'ne lumpige Website) veröffentlichen. Oder versuchen, einen Track bei einem Demo, Intro oder Diskmag unterzubringen. Oder bei einer Competition teilnehmen ect.

Überhaupt ist es sehr schwierig, sich Gehör zu verschaffen. Am ehesten gelingt dies durch dezente (!) Werbung, Erfolge in Competitions, oder als Member in einer erfolgreichen Demo-Group.

10.) It's (not) the end...

Tracking kann der Anfang sein, aber es ist nicht das Ende. Viele weiterführende Techniken (harddisk recording, mastering ect.) wurden hier nicht besprochen. Das Midi-Universum liegt noch jungfräulich in der Ferne. Post-Production ist nur ein Glitzern am Horizont. Du siehst: Es geht immer noch weiter. Oder um den TAP Leitspruch mal wieder zum Besten zu geben: "No bird soars too high, if he soars with his own wings".

http://artists.traxinspace.com/Tomaes
Music is what we livin' for...

Tomaes