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(No) Fake?
Tomaes

Wenn man sich die Beiträge in der Kategorie "Pixel"-Grafik, gleich welcher Demoparty, anschaut, dann stellt man zumindest eines fest: Eines der ältesten und wirksamsten verkaufsfördernden Techniken in der Wirtschaft funktioniert auch in der Szene prächtig. Sex sells. Ästhetisch einwandfreie Frauenleiber wohin das Auge blickt, dazu Beigaben aus den Sparten "Fantasy" oder "Landschaften". Das, zumindest für den Außenstehenden Bemerkenswerte daran ist, dass alles extrem perfekt wirkt, quasi foto-realistisch.

Vielleicht mag sich der ein- oder andere dann gefragt haben: "Wie machen die das eigentlich?" Handelt es sich hier um echte Genies, deren Fähigkeiten man nur bewundern kann, oder haben sie, zumindest stellenweise, dreist geklaut?

Auf diese Frage gab es lange keine befriedigende Antwort. Bisweilen hatte man davon gehört oder gelesen, dass einiges nicht wirklich auf dem Mist des einen oder anderen Grafikers gewachsen ist. Und dass viele Bilder, die Compos gewonnen haben, mehr oder weniger Kopien sind, wurde auch nicht oft bewiesen (wie z.B. bei Haujobb..).

Aber eine Website hat es sich zur Aufgabe gemacht, Klarheit zu schaffen. Auf der "No Copy?" Homepage (www.kameli.net/nocopy) werden systematisch alle bekannten Fälle von aktutem Bilderklau dokumentiert. Auf der Startseite heißt es:

"On these pages you find pictures made by scene artists. These works of art have also something else in common. Namely they all are copies of other artists works, movie posters or other pictures."

Und zwei mögliche Erklärungen werden auch gleich mitgeliefert:

"1) These guys suck! They should be more creative and shouldn't copy ideas from real artists! Yuch."

"2) Wow. Great technique. These guys must really appreciate the original artist! How did they do that with so few colors?"

Und so kann man, wenn man sich die Gallerien anschaut, von Bildern, die noch als "subtile Homage" durchgehen, bis zu 1:1 Scans alles finden. Auch interessant bei all den Kopien ist, dass man hier auch viele bekannte Werke findet, von denen man nie gedacht hätte, dass sie mehr oder weniger geklaut sind. Vieles befindet sich auch auf der "Scene Pixel Graphics" CD-ROM von Zyklop, die afaik sogar heute noch bei Pearl käuflich zu erwerben ist. Falls die Rechteinhaber der Orginalbilder je Wind davon bekommen sollten... au Backe. %-)

Bob Eggleton | Made

Auffällig auch, dass fast alle Bilder von ein und dem selben Künstler geklaut sind: Boris Vallejo. Besonders Made/Bomb scheint ja ein echter Fan zu sein. Lustig auch, dass er u.a. die Pain-Charts anführt und auch keine Hemmungen hatte, sein Signing auf fremde Bilder zu setzen, ohne einen Hinweis auf das Orginal zu hinterlassen.

Und nun? Akzeptieren, dass die "Copy & Paste"-Mentalität auch in der Szene stark verbreitet ist, oder lamentieren? Hat sich die Szene nicht immer stark durch ihre Kreativität definiert und "ripping" verpönt?

Echtes Pixeln gibt es zumindest auf dem PC faktisch nicht mehr. Eine einfache Rechnung bringt es an den Tag: Um 800 x 600 (= 480.000) Bildpunkte einzeln zu setzen, benötigt man eine Ewigkeit. Wenn man davon ausgeht, dass man, inklusive Korrekturen und Farbwahl, durchschnittlich 5 Sekunden für einen Pixel braucht, ist man nach ca. 667 Stunden fertig. Bei 2 Stunden pro Tag hat man dann ein ganzes Jahr zu tun.

Fazit: Schlicht unökonomisch, und bei der Power heutiger Grafik-Software auch einfach unsinnig. Schließlich wird heutige 500 MB-Software auch nicht komplett in Assembler programmiert.

Mittlerweile wird dieses Phänomen zumindest auf Demoparties nicht mehr ignoriert. Um zumindest ansatzweise zu verhindern, dass ein 5-Minuten-Fake die Competition gewinnt und die "richtigen" Bilder leer ausgehen, wurde die Abgabe von Arbeitsschritten, anhand derer man die Entstehung eines Beitrags nachvollziehen kann zur Pflicht. Die "Echtheit" eines Bildes kann man so zwar auch nicht garantieren, aber zumindest scheinen die Party-Organisatoren um Fairness im Pixel-Grafik-Wettbewerb bemüht.

Tomaes