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Multimed-IAA
mados

Flachbildschirme, Videowände, Informations- und Internet-Terminals, Interaktive 3D-Welten, Playstation 2 und PC-Spiele, Shows und multimediale Präsentationen, ...

Peugeot Conzept Car

Nein, ich bin nicht auf der Internationalen Funkausstellung, sondern auf der IAA, der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main. Um's Auto geht es. Meine bisherige Ansicht, dass dies eine Maschine zur individuellen Fortbewegung und zum Zeitsparen wäre, wird hier mehr als in Frage gestellt.

Das Auto soll ein Kultobjekt sein, und zwar in vielerlei Hinsicht. Da gibt es Fahrzeuge wie den Lada Niva, ein kleiner russischer Geländewagen mit permanentem Allradantrieb, der seit 24 Jahren nahezu unverändert gebaut wird. Kult! Oder eben populäre Traumautos wie den Lamborghini Diablo mit fast 600 PS in Serie. Kult!

Das beeindruckende auf dieser Messe sind aber nicht die Fahrzeuge, schließlich sieht man davon täglich einige tausend auf Deutschlands Straßen. Was wirklich beeindruckt, ist die Präsentation, in die einige Hersteller mehrere Millionen investiert haben.

Das beginnt bei den schon erwähnten Computerterminals, von denen man in der Regel nichts weiter sieht als ihren flachen Touchscreen. Was neben den einzelnen Fahrzeugen steht, sind keine Plastikschilder mehr, es sind interaktive Informationstafeln, die das Fahrzeug in allen erhältlichen Farben zeigen, technische Daten auflisten und vieles mehr. Manchmal wird das alles von einer Software präsentiert, wie man sie auch auf den dazu gehörigen CD-ROMs findet. Oft jedoch läuft auf dem Rechner ein Webbrowser, und man darf sich durch die Internetseite des Herstellers bewegen.

Ein verlockendes Angebot - ob ich wohl mal schnell nach E-Mails gucken kann? Nein, kann ich nicht. Bei Hersteller 1 kann ich zwar die Seite meines Mailanbieters aufrufen, doch werde ich innerhalb von 3 Sekunden (!) von einem Mitarbeiter ermahnt, dass diese Rechner bitte nur für die firmeneigenen Webseiten genutzt werden sollen. Bei Hersteller 2 gibt es keine Tastatur, nur einen Trackball, der zum Surfen auf der schon angezeigten Seite natürlich ausreicht. Bei Hersteller 3 schließlich sorgt ein Macintosh für Frust. Menüleiste und Fensterrahmen werden zwar angezeigt, doch klicken kann man dort vergeblich. Selbst ein verschobenes Browserfensters hüpft sofort in seine alte Vollbild-Position zurück. Bei Hersteller 4 tut ein hart eingestellter Proxyserver seinen Dienst. Jede Seite, die nicht mit dem richtigen Domainnamen beginnt, bringt nichts weiter als eine Fehlermeldung auf den Schirm. Hersteller 5 und 6 verzichten schließlich ganz auf Terminals dieser Art. Ersterer, weil er sich so etwas nicht leisten kann; letzterer, weil er es schlicht für zu niveaulos hält.

Flachbildschirme und Projektionswände sind ein ebenfalls sehr weit verbreitetes Präsentations-Medium. Die bis zu ein Meter großen TFT-Monitore treten selten einzeln auf. Sie schmücken Säulen; zeigen die Entstehungsgeschichte des Autos, um das herum sie angeordnet sind; selbst in den Fußboden sind sie duzendweise eingelassen und simulieren dort einen plätschernden Wasserlauf. Die Projektionswände mit ihren gigantischen Beamern sind schon gar nicht mehr erwähnenswert. Aufsehen erregen die vieleicht 40 Quadratmeter großen Videowände, auf die seltsamerweise keiner der vorbei laufenden Menschen einen Schatten wirft. Die Lösung offenbart sich, sobald man direkt davor steht: Das Bild zerfällt und man erkennt Millionen winzige, in Rot, Grün und Blau gruppierte Leuchtdioden.

Multimedia - auf der IAA gewinnt dieses viel zu oft misbrauchte Wort eine neue Dimension. Nicht nur Bilder, Animationen, Videos und virtuelle Welten reizen die Sinne, sondern auch Licht und Schatten, Laser, Nebel, Töne, Rauch und Musik, ja sogar Hitze, Kälte, Feuer und Wasser.

Nur der Tastsinn muss Zurückhaltung üben, denn alle Autos, bei denen man den Impuls verspürt, sie anzufassen, sind unerreichbar umzäunt. Dafür haben die Füße etwas mehr zu tun als gewohnt.

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